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Eine Geschichte zum besseren Verstehen von Verhaltensweisen von dementen Menschen aus dem Buch "Ich bin dement"


Ein Tag mit Maria


Arm in Arm schlendere ich mit dieser Frau. Wo will sie mit mir hin? Sie sagt, wir sind schon da, dies sei mein Zimmer.


Ja, einige Sachen sind mir vertraut, aber vieles auch nicht. Die nette Frau sagt, dass sie mit mir mein Kleid und den Rest der Wäsche für den heutigen Tag aussuchen will. Wieso sucht sie mit mir meine Kleider aus?


Ich weiß nicht, was sie wirklich von mir will, aber sie hat eine liebe Stimme. Sie zeigt mir ein buntes Kleid, und ich lege es über meinen Arm. Sie lächelt mich freundlich an und geleitet mich in einen anderen Raum. Sie legt einen Waschhandschuh und Seife zurecht, ebenso die Zahnbürste und Zahnpasta. Sie sagt, ich soll meinen Schlafanzug ausziehen und mich bitte waschen. Ihre Stimme ist sanft. Da fallen mir meine Kinder ein und dass ich ihnen noch die Brote für die Schule machen muss. Ich ziehe mich aus und wasche mich schnell, damit ich dann das Frühstück machen kann.


Das Gesicht, das ich dort sehe, ist mir fremd, was macht diese alte Frau hier im Bad? Überhaupt habe ich sehr viele alte Menschen in letzter Zeit getroffen. Doch jetzt schnell anziehen und in die Küche, das Frühstück machen.


Die Frau lässt mich noch nicht gehen, sie sagt, ich soll mir noch die Haare frisieren. Ich sehe aber nur eine alte Frau, der ich das Haar bürste. Wieso bürste ich ihr das Haar? Egal, ich will schnell fertig werden und dann in die Küche!


Ich sorge gut für meine Kinder!


Die nette Frau geht, doch die alte Frau bleibt. Ich sage ihr, dass ich keine Zeit für sie habe, da ich mich um die Kinder kümmern muss. Sie reagiert nicht. Ich drehe mich um und gehe schnell in die Küche.


Ich höre dort etwas klappern, vielleicht ist schon eins von den Mädchen auf. Ich gehe in die Richtung, aus der ich das Klappern wahrgenommen habe. Es sind nicht meine Kinder. Andere Frauen sind hier. Eine ganz in Weiß, noch jung, etwa so alt wie ich, knapp unter 30, und da ist noch eine alte Frau. Ich sage, dass sie die Küche verlassen sollen, doch sie gehen nicht. Ich habe einfach keine Zeit, mit ihnen zu diskutieren. Ich decke einfach den Tisch für die Kinder.

Wo sind die Teller, wo die Gläser? Nichts finde ich mehr in meiner Küche. Sie sieht auch so anders aus. Endlich habe ich Brot gefunden.


Schnell die Brote für die Kinder machen. Sie brauchen unbedingt ihr Pausenbrot. Ich klappe die Brote zusammen. Doch da hält die junge Frau in Weiß meinen Arm fest und sagt, dass ich das lassen soll, ich zerkrümele ja das ganze Brot. Ich weiß nicht, was sie will, ich mache doch nur die Brote für die Kinder. Sie lässt mich los und ich suche Papier zum Einpacken der Brote. Ach da liegt ja welches, schön bunt, da freuen sich die Mädchen. Ich nehme das Papier und packe die Brote ein. Heute geht das gar nicht so gut von der Hand. Es passt einfach nicht. Die junge Frau kommt schon wieder. Sie nimmt mir mein Papier ab und sagt, dass dies die Servietten für die anderen Bewohner seien. Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Es kommen jetzt auch immer mehr Menschen in die Küche. Ich weiß gar nicht, was das soll? Wo sind meine Kinder? Sie müssen doch in die Schule, es ist doch Zeit. Ich rufe sie – Katharina! Susanne! Jasmin! Ich sehe sie jedoch nicht, wo sind sie nur?


Ach da steht eine Schultasche. Ich schaue nach, ob alles drin ist, die Hefte, die Bücher. Die Tasche ist aber nicht gut aufgeräumt.


Ich bin eine ordentliche Mutter und gute Hausfrau!


Ich schaue mir alles an. Ein Spiegel – da ist ja schon wieder die alte Frau aus dem Bad – ein Taschentuch, jemand nimmt mir die Tasche ab und behauptet, dass sie mir nicht gehört. Es ist doch Katharinas Tasche. Wo sind nur die Kinder?


Ich laufe überall im Haus umher und suche sie, aber es ist irgendwie alles anders. Jemand berührt mich an den Schultern. Ein junger Mann, was macht er hier? Er sagt, dass er mich zum Frühstück bringen will. Ich sage ihm, dass zuerst die Kinder in die Schule müssen. Er erzählt mir, dass sie schon lange weg sind. Das beruhigt mich.


Ich setze mich an einen Tisch. Hier sitzen schon einige ältere Herrschaften. Ich schaue sie an – sie sagen mir, dass ich essen soll. Der Kaffee schmeckt etwas schlaff, wer hat den denn gekocht? Dafür ist das Brot gut, die Marmelade auch. Wie gut, dass die Kinder in der Schule sind. Sind sie wirklich weg? Ich schaue lieber noch einmal nach. Ich stehe auf und gehe durch den Raum in den Flur. Sie sind nicht zu sehen. Aber lieber noch einmal im Zimmer nachsehen. Das erste Zimmer ist leer. Das zweite auch. Ja, aber Jasmin trödelt manchmal gern. Auch ihr Zimmer ist leer. Aber die Zimmer sind alle noch so unordentlich. Immer lassen sie alles liegen. Das muss ich gleich aufräumen. Da kommt der junge Mann wieder. Er will mich zum Frühstück bringen. Na gut, jetzt kann ich frühstücken, die Kinder sind aus dem Haus, und aufräumen kann ich später auch noch. Ich sitze bei älteren Herrschaften, der Kaffee ist schlaff, aber das Brot schmeckt und die Marmelade auch. Nach dem Frühstück muss ich aber aufräumen. Die älteren Herrschaften sind nett. Eine sieht meiner Oma sehr ähnlich. Na ja, es wird jetzt Zeit, dass ich die Zimmer in Ordnung bringe.


Ich bin eine gute Hausfrau, halte das Haus sauber, bin ordentlich!


Zuerst räume ich die Zimmer der Kinder auf. Katharinas Zimmer ist das erste, hier links. Das Bett ist noch nicht gemacht, ansonsten sieht es hier aber ordentlich aus. Es ist Zeit, die Bettwäsche abzuziehen und zu waschen. Wieso sind hier keine Knöpfe? Woher stammt überhaupt diese Wäsche? Ständig ist heute etwas Neues, manchmal könnte ich verzweifeln. Das dauert heute alles so lange und ich muss doch noch die anderen Betten abziehen. Und dann noch waschen und kochen.


Nach Katharinas Zimmer gehe ich jetzt Susannes Bett abziehen. Vielleicht gehe ich noch vorher das Frühstück abräumen. Auf dem Flur begegne ich einer jungen Frau, sie fragt mich, ob ich zur Gymnastik mitgehen möchte. Ich sage ihr, dass ich keine Zeit habe. Dass ich noch Betten abziehen muss und dass das Frühstück noch abgewaschen werden muss. Sie sagt, dass sei alles bereits erledigt. Sie zeigt mir die Küche. Alles ist sauber. Wer hat das wohl gemacht? Mit sanftem Druck nimmt sie mich mit. Na ja, Gymnastik tut gut, ich kann nachher noch weiter für Ordnung sorgen.


Ich bin eine sportliche Frau!


In dem Gymnastikraum sind schon einige Frauen. Alle sind schon sehr alt. Ob die das mit der Gymnastik wohl hinbekommen?


Die junge Frau beginnt mit der ersten Übung. Die Übung ist leicht, auch die folgenden sind nicht wirklich schwer, und irgendwie macht es Spaß. Ich habe schon lange keine Gymnastik mehr gemacht, denn irgendwie sind meine Muskeln und Gelenke eingerostet. Die junge Frau sagt, dass sie eine Entspannungsübung macht. Es tut gut sich zu entspannen, und irgendwie werde ich müde. Eine kurze Zeit nicke ich ein. Ich erwache.


Die junge Frau kündigt jetzt die letzte Übung an. Sie fragt mich, ob es bei mir noch geht. Natürlich, was denkt sie sich?


Meinen Haushalt halte ich in Ordnung!


Irgendwie habe ich leichten Hunger. Ich muss jetzt schnell los, nach Hause, für die Kinder das Essen zubereiten. Wie komme ich hier nur heraus? Es ist alles so fremd! Die Türen sind abgeschlossen. Ich klopfe, ich rufe, doch nichts geschieht. Ich rufe lauter, irgendwer wird mich doch wohl hören. Die Kinder kommen gleich aus der Schule, dann macht ihnen niemand auf. Hilfe! Hilfe! Hilfe! Endlich kommt jemand.


Die junge Frau sagt, dass ich hier in einem Altenheim bin und meine Kinder schon erwachsen sind. So ein Unsinn! Sie hat überhaupt keine Ahnung! Ich muss zu den Kindern, ihnen die Tür öffnen. Ich laufe durch die Flure. Dort ist die Eingangstür, doch es ist niemand da. Sie werden schon gleich kommen. Katharina kommt immer etwas später.


Ich muss nach dem Essen schauen, doch alles ist so fremd hier. In dem großen Raum sind schon Tische eingedeckt. Wieso so viele? Na ja, bei mir ist immer genügend zu essen im Hause.


Die Kinder werden jeden Moment kommen. Es riecht nach Essen. Viele ältere Menschen strömen hier in den Raum und setzen sich an die Tische. Ich suche einen Platz für mich und die Kinder. Ich frage die junge Frau, die das Essen ausgibt, wo wir uns hinsetzen können. Sie weist mir einen Platz an, hier sind auch noch Plätze für die Kinder. Bin ich hier in einem Restaurant?


Ich schaue noch einmal nach, wo die Kinder bleiben. Die junge Frau sagt zu mir, ich soll sitzen bleiben, mein Essen komme gleich.


Ich stehe auf und gehe zur Tür. Keines der Kinder ist jedoch zu sehen. Ich gehe ihnen ein Stück entgegen. Im Garten erreicht mich ein junger Mann. Er atmet schwer und sagt, ich solle bitte mit ihm kommen. Das Essen sei angerichtet. Ich frage ihn, ob meine Kinder schon da sind. Er fragt, wie sie heißen. Ich sage ihm Katharina, Susanne und Jasmin. Er sagt mir, dass sie erst spät am Nachmittag kommen werden. Katharina habe angerufen, dass sie um 14.30 Uhr kommen werde. Soll ich ihm glauben? Ich weiß nicht recht, was ist, wenn es nicht wahr ist?


Na gut, diesmal will ich ihm glauben und gehe mit ihm zum Restaurant zurück. Nach dem Essen bringt mich dieser junge Mann auf ein Zimmer und sagt, dass ich mich ausruhen kann, bis die Kinder dann kommen. Ich nehme in einem großen Sessel Platz, und ich fühle mich sooo müde.


Ich bin doch eine gute Mutter!?


Ich werde von einer jungen Frau geweckt, die mich mit „Hallo Mama“ begrüßt. Eine zweite junge Frau macht das Gleiche. Ich schaue wohl sehr erstaunt, weil sie sagen, wir sind doch Katharina und Jasmin, deine Kinder. Susanne konnte leider nicht mitkommen.

Meine Kinder? – Meine Kinder gehen noch in die Schule. Was diese Frauen wohl von mir wollen? Aber da sind noch zwei kleine süße Kinder. Ich frage sie, wie sie heißen. Sie sagen „Christian und Christine, Oma“. – Oma? – Was soll das denn, ich bin doch noch keine Oma. Obwohl, wie war das mit der Oma heute Morgen? Ach, ich spiele lieber mit den beiden Kleinen.


Die Frauen machen mir den Vorschlag, in den Garten zugehen. Irgendwie kommen mir beide sehr bekannt vor. Die ältere könnte eine Schwester von mir sein. Im Garten angekommen, bestehen beide darauf, mich weiterhin als Mama anzusprechen. Ich lasse sie, weil ansonsten sind sie sehr nett, besonders die beiden Kinder. Sie nennen mich zwar weiterhin Oma, aber das ist in Ordnung.


Die beiden netten Frauen erzählen von ihrer vielen Arbeit und ihren Familien. Es ist schön ihnen zuzuhören. Ist so ähnlich wie bei mir zu Hause.


Als sie die Geschichte vom Unfall meines Mannes erzählen, wundere ich mich, woher sie all diese Informationen haben. Ich sehe auch Tränen in ihren Augen beim Erzählen der Geschichte. Ich bin verwirrt, wissen diese Frauen mehr als ich? Vielleicht haben sie Recht mit all dem, was sie sagen?


Ich frage sie, für wie alt sie mich halten. Sie antworten beide, wie aus der Pistole geschossen, 74. Ich bin erschrocken! Bin ich wirklich 74? Ich fühle doch, dass ich 35 Jahre bin. Das kann nicht sein! Was stimmt hier wirklich? Ich weiß nicht mehr ein noch aus!

Bitte helfen Sie mir! Bitte, bitte helfen Sie mir!


Nach einigen Stunden gehen die beiden wieder nach Hause mit ihren süßen Kindern. Sie wirken traurig und irgendwie verloren. Es tut mir weh, wenn ich die beiden traurig sehe. Ich umarme sie und versuche, sie zu trösten. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.

Ich habe so viele Fragen im Kopf. Wo sind meine Kinder, mein Mann, mein Zuhause? Wer sind all diese Menschen hier? Warum bin ich hier? Was habe ich falsch gemacht?

Ich schließe die Augen und versuche zu verstehen, aber es ist so schwer.

Bitte, jemand muss mir helfen!



 

Die Geschichte "Ein Tag mit Maria" bietet einen einfühlsamen Einblick in das Leben einer Person, die an Demenz oder einer ähnlichen Erkrankung leidet. Durch die Schilderung der Gedanken, Emotionen und Erlebnisse dieser Person wird deutlich, wie verwirrend und desorientierend das Leben mit dieser Krankheit sein kann. Die Hauptfigur kämpft mit Erinnerungslücken, Verwirrung über ihre Umgebung und Identität sowie einem starken Verlangen nach Normalität und familiärer Verbundenheit.


Die Absicht hinter der Geschichte ist es, das Bewusstsein und Verständnis für Menschen mit Demenz zu fördern. Indem sie die Welt aus der Perspektive der Hauptfigur erleben, können Leserinnen und Leser empathischer gegenüber den Herausforderungen und Gefühlen dieser Personen werden. Die Geschichte dient dazu, Mitgefühl zu wecken und eine sensiblere Betrachtung der Bedürfnisse und Gefühle von Menschen mit Demenz zu ermöglichen.













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