Vertrauen statt Widerstand – Pflegebeziehungen bei Demenz neu denken
- M. Vatamanu
- 20. Mai
- 3 Min. Lesezeit

Es gibt Begegnungen, die uns lange begleiten. Und solche, die uns im ersten Moment sprachlos machen. Zum Beispiel, wenn ein Mensch mit Demenz unsere Hand wegschlägt. Wenn ein liebevoller Blick nicht erwidert, eine Geste der Fürsorge abgewiesen wird.
Wenn wir helfen wollen – und dennoch auf Abstand stoßen.
Für Angehörige und Pflegekräfte ist das oft schmerzhaft.
Wie erreicht man jemanden, der scheinbar niemanden mehr an sich heranlässt?
Wie entsteht Nähe, wenn selbst Berührung plötzlich bedrohlich wirkt?
Rückzug ist kein Widerstand – sondern Selbstschutz
Menschen mit Demenz erleben ihre Umgebung nicht wie wir. Vertrautes verliert seine Bedeutung, neue Eindrücke können Angst machen. In dieser inneren Verunsicherung kann selbst ein gut gemeinter Handgriff wie ein Übergriff wirken.
Was wir als Ablehnung erleben, ist häufig ein Schutzmechanismus. Ein Versuch, Kontrolle zu bewahren. Ein „Nein“, das nicht gegen uns gerichtet ist – sondern gegen das Gefühl von Überforderung, Angst oder Hilflosigkeit. Es ist ein Ruf nach Sicherheit. Nach Verständnis. Nach Beziehung.
Beziehung vor Handlung – unser Ansatz bei Recall Akademie
Hier setzt unsere Arbeit bei der Recall Demenz Akademie an.
Wir sind überzeugt: Pflege beginnt nicht mit dem Tun – sie beginnt mit dem Verstehen.
Bevor wir handeln, dürfen wir fühlen. Bevor wir berühren, müssen wir innerlich berührt worden sein.
In unseren Schulungen, Coachings und Beratungen zeigen wir Wege, wie Nähe möglich wird – ohne Druck, dafür mit Herz, Geduld und Wissen:
Wie Stimme, Haltung und Mimik Vertrauen schaffen – auch ohne Worte.
Wie Biografiearbeit hilft, Verhalten zu deuten – und auf der Gefühlsebene Brücken zu bauen.
Wie Rituale und verlässliche Strukturen Orientierung geben – und Sicherheit entstehen lassen.
Wie Geduld zu einer Sprache wird – wenn Worte nicht mehr reichen.
Ein kleiner Moment kann alles verändern
Eine Betreuungskraft erzählte kürzlich von einem Bewohner, der jede körperliche Nähe ablehnte – besonders bei der Körperpflege. Er wirkte verschlossen, misstrauisch, oft abweisend. Gespräche blieben kurz. Berührungen unerwünscht.
Dann entdeckte sie in seiner Biografie, dass er früher Schneidermeister war und ein eigenes Atelier führte. Am nächsten Tag betrat sie sein Zimmer mit einem Stück Stoff in der Hand: „Ich möchte eine kleine Osterdeko nähen – könnten Sie mir vielleicht helfen, den passenden Faden zu finden?“
Er reagierte erst nicht. Dann war da ein prüfender Blick – fachkundig, kritisch, fast wie früher in seinem Beruf. Und plötzlich war ein Gespräch da. Er nahm das Stoffstück in die Hand, begutachtete es. Fing an zu nähen. Und zu erzählen. Von früher. Von seiner Arbeit. Er sang leise vor sich hin. Er war wieder jemand – jemand, der gebraucht wird.
In diesem Moment fühlte er sich gesehen. Nicht bewertet oder bevormundet, sondern ernst genommen.
Das Gefühl: „Ich kann noch etwas – und jemand interessiert sich dafür“ hat etwas in ihm gelöst.
Von da an öffnete er sich – langsam, aber spürbar. Nicht, weil man ihn drängte. Sondern, weil jemand ihn dort abgeholt hat, wo seine Geschichte beginnt.
Wir begleiten Sie auf diesem Weg
Demenz verlangt keine schnellen Antworten – sondern echte Begegnung. Und die beginnt mit einer Haltung der Achtsamkeit, der Neugier und des Respekts.
Wir von der Recall Demenz Akademie möchten Pflegekräfte und Angehörige stärken. Mit Wissen, praktischer Erfahrung und einem tiefen Verständnis für die seelischen Prozesse, die Demenz mit sich bringt.
Denn auch wenn Nähe schwerfällt – Verbindung ist immer möglich. Manchmal braucht es nur den einen Moment, der alles verändert.
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